08.03.2022 14:00

„Der fürsorgliche Mr. Cave“ von Matt Haig

Stellen Sie sich vor, ein Mann leidet unter dissoziativen Identitätsstörungen, von denen er weiß und deren Identitäten er kennt und er dokumentiert seine Erlebnisse. Eigentlich schreibt er einen sehr langen Abschiedsbrief an seine fünfzehnjährige Tochter.

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Aber eins nach dem anderen. Mr. Terence Cave ist Antiquitätenhändler in York und Witwer, seitdem bei einem Einbruch in seinen Laden seine Frau getötet wurde. Er hat Zwillinge von fünfzehn Jahren Reuben und Bryony. Eines Tages sieht er von seinem Fenster aus, dass Reuben an einer hohen Laterne hängt und scheinbar Schwierigkeiten hat, sich dort zu halten. Er eilt hinunter und bevor er ganz bei seinem Sohn ist, stürzt der aus großer Höhe herunter und stirbt in den Armen des Vaters. Als er vom Unfallort weggeht, schaut er einem der Jungs, die Reuben wohl zu der Mutprobe herausgefordert haben, in die Augen. Er ist sehr groß und kräftig für sein Alter. Terence sieht in dessen Augen keine Regung. Er ist sicher, dass vor allem dieser Junge, Denny heißt er, am Tod von Reuben Schuld hat.

Erst jetzt wird Terence klar, dass er seinen Sohn immer benachteiligt hat und die Tochter vorzog. Er hat ein schlechtes Gewissen. Es plagen ihn von dem Zeitpunkt an eigenartige Gefühle und Zustände.

Auch die Tochter Bryony verändert sich ab dem Tag. Sie hört nicht mehr klassische, sondern Popmusik. Sie spielt weniger auf ihrem Cello und sie kleidet sich, schminkt sich und gibt sich anders als zuvor.

Terence hat Angst, dass er auch noch sie verliert. Er behütet sie übertrieben, spioniert ihr nach und engt sie ein. Als er dann noch entdeckt, dass Bryony nicht nur mit einer Clique von in seinen Augen zweifelhaften Jugendlichen „abhängt“, sondern sich auch die Jungs an sie heranmachen, wird seine Fürsorglichkeit zur Manie. Denny ist es wohl, den Bryony liebt. Denny wohnt in einer Problemgegend, ist im Boxsportverein, seine Mutter trinkt und sein Vater sitzt im Gefängnis, weil er für den Mord an Terences Frau verantwortlich ist.

Terence wird immer rigider, was die Maßnahmen zur Kontrolle und Überwachung von Bryony angeht und sie reagiert mit Lügen darauf, die ihr ein paar Freiheiten bringen sollen.


Ehrlich gesagt, wollte ich das Buch nach etwa der ersten Hälfte weglegen und nicht zu Ende lesen. Immer wieder werden die Katz- und Maus-Spiele zwischen Vater und Tochter erzählt und man weiß, dass das im Chaos enden muss. Mich hat diese Ahnung nervös gemacht und aufgeregt. In solchen Fällen will ich gar nicht wissen, wie es ausgeht.

Gut, dass ich weitergelesen habe! Man versteht nach einer Weile, dass die schwer verständlichen Teile im Buch auf Wahnvorstellungen des psychisch kranken Helden zurückzuführen sind. Er ist manchmal sein eigener, toter Sohn Reuben und schiebt dem andererseits schlimme Ereignisse in die Schuhe.

Terence lauert Bryony auf, hört sie ab, verfolgt sie, wenn sie Denny trifft und wird immer besorgter. Ihm fällt wieder ein, dass er nach dem Einbruch, bei dem seine Frau getötet wurde, einen historischen Revolver gekauft hatte.

Das Ende ist überraschend, obwohl es wirklich richtig schlimm wird. Wenn die erste Hälfte nicht so lang und nervend für mich gewesen wäre, wäre es einer der besten Romane, die ich bisher gelesen habe.