09.04.2023 19:07

"Die marmornen Träume" von Jean-Christophe Grangé

Von Kothurnen, Miasmen, Phlegmonen, Narkomaninnen und fauligem Magma


Bisher habe ich Grangé-Bücher immer verschlungen, aber dieses Mal tat ich mich schwer. Die Geschichte vom Marmormann ist zwar spannend, sie wird aber leider mit den in der Überschrift genannten Fremdwörtern und vielen weiteren mühsam zu lesen.

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Ich musste jeden der Ausdrücke googeln, weil ich sie nicht kannte. Abgesehen davon wird einem die griechische Mythologie „um die Ohren gehauen“, nur leider nicht ganz korrekt, denn Jupiter, Apollon, Merkur und Konsortien waren die römische Ausgabe, Zeus, Apollo und Hermes hätten es sein müssen. Diesen ganzen Schnickschnack hätte sich der Autor ersparen sollen oder war es der Übersetzer, der gepatzt hat? Leider gab es hier und da auch logische Probleme. Da wartet einer der Protagonisten auf eine Dame und trinkt sich derweil mit Martinis in einen Rausch. Wenig später erfährt man, dass er nie trinkt, weil sein Vater Alkoholiker war. Oder er schwitzt vor dem nämlichen Warten seinen Sommeranzug durch und kurze Zeit später ist es eisig kalt in Berlin. Das hätte auffallen müssen. Zum Inhalt: im Berlin ab 1939 gibt es einen Club mit schönen, reichen Frauen, die eine Sonderstellung im politischen System der Nationalsozialisten haben. Sie dürfen beliebig Späße über Hitler, Goebbels und andere machen, ohne bestraft zu werden. Doch nach und nach werden die Schönsten von ihnen ermordet aufgefunden: Ihre primären Geschlechtsorgane wurden fachmännisch entfernt und ihre Schuhe in einiger Entfernung vergraben. Ein Beamter der Kriminalpolizei wird von dem Fall abgezogen und die Gestapo übernimmt vertreten durch einen Hauptsturmführer namens Franz Beeren, der von seinem Chef an kurzer Leine gehalten wird. Die Ermittlungen sind Verschlusssache, warum auch immer. Die Ermordeten haben eines gemeinsam, sie waren alle Patientinnen des Psychiaters Simon Kraus, der auf Traumdeutung spezialisiert ist. Die Damen haben alle von einem Mann mit einer Marmormaske geträumt. Das Trio wird vervollständigt durch Minna von Kassel, die zwar wie eine Jüdin wirkt, denn sie ist klein, hat schwarzes Haar und fast schwarze Augen, aber die von Hasses gehören zu einem der ältesten Arierstämme und zu den reichsten Leuten Deutschlands. Minna hingegen arbeitet aufopferungsvoll in einer abgelegenen Anstalt für psychisch schwer gestörte Mensch. Sie ist dort die Leiterin. Der Vater von Franz Beeren ist in ihrer Anstalt weggesperrt worden, weil er unter posttraumatischen Belastungsstörungen leidet, seit er im ersten Weltkrieg war. Beewen hat schon alles gemacht, was einem so bei SS, SD, SA und Gestapo als Aufgabe zukommt, nämlich geschlagen, getötet und gefoltert, aber das war früher und nun ist er der geheime Mordermittler. Er schwärmt allerdings für Minna von Hassel und es ergibt sich, dass sie, ebenfalls Psychiaterin, Simon Klaus und Beewen zu einem Gespann wider Willen werden, um die Morde aufzuklären. Es kommt zu großen, zum Teil tödlichen Fehlern, aber 1942 - Stalingrad wird gerade zum Desaster - kommen die drei auf die richtige Spur und klinken sich aus ihren bestehenden Verpflichtungen aus, um den Fall wenn auch spät aufzuklären. An sich eine gute Geschichte und Spannung gibt es reichlich. Nur leider übertreiben es Autor und/oder Übersetzer mit der verquasten, pathetischen und oft übertriebenen Wortwahl. Die geschilderten Nazigräuel und daraus gegebenen Situationsbeschreibungen waren für mich am Rand des guten Geschmacks bzw. des Ertragbaren. Ich habe das Buch oft weglegen wollen. Schade!