21.07.2021 14:10

"Mein Helgoland" von Isabel Bogdan

Kennen Sie das, sie lesen ein Buch und sind von der Sprache fasziniert und dann stellen Sie fest, dass es wieder eines ist, das aus einer Fremdsprache übersetzt wurde? Es ist mir schon oft so gegangen. Eigentlich war es bei allen faszinierenden Bücher so, jedenfalls bei denen aus unserer Zeit (bleiben Sie ruhig Herr Roth, Herr Schnitzler und wie sie alle heißen, die ich verehre). Es hat sich bei mir die Theorie entwickelt, dass Bücher bei der Übersetzung sprachlich gewinnen. Übersetzer und Übersetzerinnen tun nichts anderes, als sich auf die Sprache zu konzentrieren und sie so schön wie möglich umzusetzen. Alle Energie fließt in den sprachlichen Ausdruck.

[In der Blog-Übersicht wird hier ein Weiterlesen-Link angezeigt]

Manchmal frage ich mich, wie es denn wäre, wenn jemand der oder die übersetzt, selbst ein Buch schreibt, es ganz neu erfindet. Wird es dann sprachlich auch so schön werden oder reicht die Energie nicht mehr, weil zuviel davon ins Erfinden gesteckt werden muss?

Ich bin nun wenigstens in einem Falle klüger. Isabell Bogdan übersetzt meistens und ab und zu schreibt sie auch mal ein Buch selbst, so eines wie dieses. Sie macht das herrlich unaufgeregt, ohne Effekthascherei oder prätensiöse Formulierungen, so als wenn mir eine gute, langjährige Freundin im direkten Gespräch erklärt, warum sie sich auf diese paar Quadratmeter in der Nordsee zurückzieht. Ich mag das und ich verstehe sie nun.

Ehrlich gesagt habe ich mit Helgoland nicht viel am Hut außer, dass meine Schwägerin, die ich nun auch besser verstehe, seit einigen Jahren dort lebt. Doch was mir Frau Bogdan so alles erklärt und berichtet hat, liest sich sehr interessant. Ich glaube, manches davon wissen noch nicht einmal alle Helgoländer. Oder wenn sie vom toten Wintergoldhähnchen berichtet, das sie mit einem der vielen Ornithologen auf der Insel fand, habe ich gefühlt 7 Gramm flauschiges Vögelchen in der Hand und ich werde traurig.

Aber es ist nicht nur ein Buch für Helgolandfans, -fahrer, -urlauber und -wissbegierige. Es ist auch ein Ratgeber ohne erhobenem Zeigefinger und Alleingewissheitsanspruch für Schreibende ohne erhobenem Zeigefinger und Alleingewissheitsanspruch. Die Autorin beschreibt mit einem Satz, wie es ihr geht, wenn sie ein Buch schreibt, nämlich genau wie mir, der ich mich dauernd frage, ob das überhaupt gut oder wenigstens lesbar ist, was mir da so einfällt. Sie holt uns Zweifelnde aus allen Bockshörnern raus, in die wir durch die Literaturgewaltigen und -wissenden schon getrieben worden sind: "Du musst plotten! Plane dein Buch, erst wenn du das Gerüst mit Kapitelnamen und grobem Inhalt hast, kann dein Buch was werden!" Ist eine Meinung. "Nein, schreibe, wie es dir in den Kopf kommt. Dann streiche später die Hälfte davon und du hast eine Chance." ist eine andere Meinung. "Beginne nie mit einem Rückblick!" ist auch so ein Glaubenssatz, der mir mit jedem zweiten Buch, das ich lese, widerlegt wird und erst recht durch Filme.  Frau Bogdan ist tolerant. Sie hat selbst schon Einiges probiert, das Mal gewirkt hat und ein ander Mal nicht mehr.

Vielen, vielen Dank dafür. Sie haben mir zwar (noch) nicht die Selbstsicherheit eines Thomas Mann verleihen können, aber viele Zweifel genommen.

"Mein Helgoland" ist ein kurzes, schmales Buch von 112 Seiten mit zwei unterschiedlichen Themen und Aussagen, das nach Beidem Suchende zufriedenstellt.

Gerade kommt mir ein Gedanke, ich werde eines meiner Bücher ins Englische übersetzen und Frau Bogdan zum Übersetzen ins Deutsche geben. Womöglich wird es dann ein wirklich gutes Buch und der mare Verlag schickt mir einen Vertrag.

Wenn ich nur vier von fünf Sternen gebe, ist das meine übliche Höchstnote. Mehr gebe ich eigentlich nie. Ich habe immer noch die Hoffnung, einmal DAS Buch zu finden, für das fünf Sterne fast nicht ausreichen. #MeinHelgoland #IsabelBogdan.