13.01.2022 01:35

"Walter muss weg" von Thomas Raab

Frau Huber ermittelt - der erste Fall

Ein Buch, in das man sich hineinlesen muss. Es gibt zum Teil ganze Absätze, die mir wie ein Satz Gleichungen mit mehreren Unbekannten vorkamen. Mal fehlt Subjekt, ein andermal Prädikat oder Objekt. Der Autor macht Sprünge, die man erst nach viel Nachdenken nachvollziehen kann. Manchmal reichte das viele Nachdenken nicht.

Aber wenn man sich reingelesen hat, dann fühlt man sich in Glaubenthal wohl, dem kleinen Ort irgendwo mitten in den Alpen, der dahinsiecht, weil es mehr Beerdigungen als Geburten gibt. Hannelore Huber ist um die siebzig Jahre. Ihr Mann Walter soll beerdigt werden.

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Für die "alte Huber", wie sie meistens genannt wird, ist das Begräbnis ein Akt der Befreiung. Ihr Vater hatte sie mit Walter verheiratet, ohne sie zu fragen. Immerhin 35 Jahre hat die Ehe gehalten. Sie hatten sich arrangiert und wohnten zwar zusammen, aber das war's dann auch.

Nun hat es Walter hinter sich. Dr. Stadlmüller ist der einzige Arzt in Glaubenthal und auch der Bürgermeister. Er hat ihn bei Marianne gefunden. Marianne führt ein Etablissement zwischen den Orten Glaubenthal und St. Ursula. Sie hat Mitarbeiterinnen aus dem slawischen Raum. Eine davon ist zur selben Zeit verschwunden, eine zu der sich Walter sehr hingezogen gefühlt hat. Dr. Stadlmüller verlegt Walters Tod aus Diskretionsgründen auf einen Spazierweg im Umkreis.

Zum Begräbnis hat sich wie üblich eine Ansammlung von schwarzen Flecken zusammengefunden, von denen die meisten den Geruch von Mottenkugeln verströmen. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, wie oft die Trauerkleidung in Glaubenthal seit einiger Zeit zum Einsatz kommt. Was noch zum Einsatz kommt, ist die sogenannte Dreifaltigkeit Leberknödelsuppe, Schweinebraten und Schwarzwälderkirschtorte. Üppig! Ich kenne bei Beerdigungen nur Kaffee und Streuselkuchen. Die Dreifaltigkeit gibt es obwohl ... Ja, obwohl was? Es ist besser, wenn man es liest. 

Dorf und Einwohner sind skurril und wenn man sich erstmal auskennt, macht es Spaß, von ihnen zu lesen.

Thomas Raab serviert einem knochentrockenen Humor. Ich bin froh, dass ich mich hineingelesen habe. Es hat sich gelohnt. Mal sehen, ob es beim nächsten Fall der alten Huber schneller geht.